Leben und Wirken

Gottfried  Carl Otto Protzen (24. März 1868 bis 22. Juli 1925)

 

Otto Protzen, der nur 57 Jahre alt wurde,  ist heute außer einer kleinen Community in Wannsee und interessierten Seglern im Verein Seglerhaus am Wannsee (VSaW)  (siehe dort Otto Protzen Zimmer) in Folge der Nachkriegswehen des ersten Weltkrieges so gut wie in Vergessenheit geraten. Ich kannte ihn nur als großen Segler und habe ihn erst besser anlässlich meiner  Recherchen für das von mir zum 150-jährigen VSaW-Jubiläum verfasste „Logbuch 1867-2017 Chronik Verein Seglerhaus am Wannsee“ kennengelernt.

Ich entdeckte sieben Protzen-Bücher und vielfältige Schriften von ihm. Ich fand Angebote von zahlreichen seiner Bilder und von zwei von ihm gewonnener Silber-Preise im Internet. Darüber hinaus führten das Auftauchen von ca. 50 originalen Kohle- und Kreidezeichnungen sowie vielen uns unbekannten signierten Radierungen  in alten Schubfächern neuer Schränke im Obergeschoß unseres Vereinshauses zu der Annahme,  Otto Protzen hat als Landschaftsmaler dem VSaW seinen Ateliernachlass vermacht.

Otto Protzen war eine Berliner Ausnahmeerscheinung sowohl in seglerischer wie künstlerischer Hinsicht. Ich möchte um ihn keine glorreiche oder mondäne Vergangenheit beschwören, möchte ihn vielmehr in seinem zeitlichen Umfeld mit seinen aktiven und in die Zukunft gerichteten besonderen Leistungen aufzeigen.

 

Vor dem Ersten Weltkrieg war er

- sechsmaliger Gewinner der Kieler Woche in der „Sonderklasse“,  anlässlich der  ihm s. M. Kaiser Wilhelm II nach jedem Sieg persönlich den „Samoapokal“   überreichte. Er war mit der kaiserlichen Familie insoweit freundschaftlich verbunden, als in dieser Bootsklasse auch Kronprinz Wilhelm und Prinz Heinrich segelten.

- Neben dem umjubelten Star der deutschen Segel-Regattaszene, war er aber auch ein sehr erfolgreicher Ruderer mit seinen Gigs und auch Gig- Regattasegler.

- Er war erfolgreicher Schriftsteller und Buchautor des deutschen Wassertourismus mit vielen Wanderfahrten auf deutschen Flüssen.

- Er wirkte als großartiger Landschaftsmaler, Radierer und Buch-Illustrator.

- Er war Mitautor und Illustrator des zweibändigen Handbuches „Kunst des Segelns“ 

- Er war Bootsdesigner und –konstrukteur und hat seinerzeit dem deutschen Segelsport seine reichen Regattaerfahrungen zur Verfügung gestellt.

Weil Otto Protzen mit diesen wassersportbezüglichen Tätigkeiten seinen Lebens unterhalt bestritt, kann er nach heutiger Definition auch als einer der ersten Segelprofis im damaligen Herrensegelsport genannt werden.  

Er wurde aufgrund seines seglerischen Könnens und seiner Erfolge zu einer solchen exponierten Persönlichkeit im VSaW , dass er als einziges  Mitglied – neben den Namen der Gefallenen des Ersten Weltkriegs, die sich auf der Terrassen-Außenwand an der Ostseite des Clubhauses befinden – nach dem Tode mit seinem Namenszug auf dem geschwungenem Türrahmen über dem Vorstandszimmer verewigt wurde. Andere ehrenvolle und  um das Segeln im Club verdiente Segler und Persönlichkeiten wurden und werden stilvoll allein mit den Namen ihrer Boote auf den Bossen des Clubhaussockels oder an sonstigen Stellen des Clubhauses in Erinnerung gehalten.

Wer war nun Otto Protzen, wo kam er her?

In den beiden bekannten in mehrfacher Auflage erschienenen autobiografischen Werken „Dreißig Jahr auf dem Wasser“ und „Vierzig Jahre auf dem Wasser“ hebt er in mehreren Kapiteln seine Jugenderlebnisse hervor, ohne aber genaue Details über sein Herkommen, seine Eltern und Familie preiszugeben. Persönliche Angaben oder wenigstens die Klarnamen seiner Herrensegler-Mitstreiter oder die seiner „bezahlten Hände“ werden oft ausgelassen oder elegant-witzig umschrieben. Nur wenig lässt er die Namen von Gasthäusern oder ihren Wirtsleuten oder  die von den Erbauern seiner Schiffe oder ihn sonst begleitenden Personen einfließen, sodass für seine Biografie noch richtig Recherche betrieben werden muss, um sein persönliches Umfeld, seine Vorfahren, seine Geschwister  und seine Familie aufzuzeigen.  

Otto Protzen`s Großvater war der Teppichfabrikant Michael Protzen (1809-1889),  der in der Wallstraße am Spittelmarkt ein Teppichfabrikationsgeschäft betrieb. 1865 ließ dieser in der Dorfstraße 22 (heute: Alt Stralau 4) auf der Halbinsel Stralau ein Fabrikationsgebäude zur Herstellung von Teppichen am Spreeufer erbauen. Schon zuvor hatte er mit der nur in England üblichen Kettendruck-Produktion begonnen, womit die Massenherstellung von Teppichen möglich wurde. Daneben gab es eine Stoffdruckerei, Weberei sowie eine Färberei für Schafgarne. Die Firma stellte außerdem Möbelstoffe und Kameltaschen her. 1869 wurde die Fabrik von Sohn Adalbert  (1837-1898), dem Vater von Otto, übernommen, nachdem sie wohl schon vorher als „M. Protzen & Sohn“ firmiert hatte. Michael Protzen hatte auch einen zweiten jüngeren Sohn, den  späteren Kommerzienrat Eugen Protzen (1842-1920),  der auch  im Teppichgeschäft aktiv war (s. Geschichtspfad Stralau). Eugen war verheiratet mit Emma Caroline Aubin. Die Familie hatte drei Töchter: Emilie Auguste Elisabeth, Laura Sophie Margarethe und Sophie Protzen.   

Die Firma zählte seinerzeit zu den bedeutendsten Textilfabrikations-Unternehmen Berlins und  beschäftigte mehrere Hundert Mitarbeiter. Ab 1898 leitete Adalberts Sohn Adolf (1869-1934) die Firma. Um 1900 wurde die Direktorenvilla, Remise und ein Villengarten erbaut. Diese Grundstücksteile sind ebenso wie das alte Fabrikgebäude 1995 unter Denkmalsschutz gestellt worden.

 

Otto  schloss den Besuch des Königlichen Französischen Gymnasiums in Berlin „mit mittelmäßigem Erfolg“ ab und machte eine „ vom Vater verordnete, eher lustlos betriebene kaufmännisch technische Ausbildung“.

Schon vor dieser Zeit trieb er sich vor dem elterlichen Anwesen viel auf dem Wasser herum. Bereits  1880 war er Teilnehmer an der „1. Berliner Ruderregatta“ in Grünau.

Als 14-jähriger wurde er dann schon 1881 Mitglied im Stralauer Segel-Verein (ab 1883 Berliner Segler-Verein). Hier keimte  seine lebenslange Passion zum Wassersport.

Otto hatte einen jüngeren Bruder Adolf (1869-1934), der teilweise mit seinem großen Bruder in der Jugend segelte und neben zwei Schwestern einen noch jüngeren Bruder Walter, geb. 1876, der  später auf dem Wasser - allerdings nicht im Regatta-Geschehen -  aktiv war, vielmehr  sein Interesse zum Fahrtensegeln auf die Ost- und Nordsee ausrichtete.

 Otto Protzen erwähnt Adolf in seinen Jugenderinnerungen immer nur mit dem Nicknamen „Schnick“. Zusammen mit diesem Bruder machte er schon als Schüler mit seinem ersten Boot, dem alten Fischer-Ruderboot „Anna“, die ersten exotischen, von den Eltern  genehmigten, teils ungenehmigten Wanderfahrten auf Spree und Havel. Seine späteren Boote werden explizit  weiter unten besprochen.

(Walter Protzen wurde nicht so bekannt wie Otto, prägte aber durch seine in der Zeitschrift „Die Yacht“ dokumentierten Fahrten auf der Ostsee das Fahrtensegeln in Deutschland (gestorben 1960, s. Rolf Bartusel, „Der andere Protzen“ Stadtarchiv Wismar). Walter war Mitbegründer des „Deutschen Kreuzer-Yacht-Verbandes und ein erfolgreicher Yachtkonstrukteur. Walter hat seinen älteren Bruder Otto in seinen Berichten allerdings  nicht erwähnt.)

In der kaufmännisch technischen Ausbildung des jungen Otto Protzen „wirkten Beruf und Vaterland störend auf die Entfaltung seines Wandertriebes“. „Kurz bevor aber die Wasserschwärmerei ganz einzutrocknen drohte, kam meinem Vater eine folgenschwere Erkenntnis: Er behauptete… ich …sei farbenblind, weil ich die Namen mancher Farben nicht zu nennen verstand; also untauglich für die Teppichfabrikation, welche bisher die kümmerliche Quelle unserer Familiennahrung gewesen“ ist.

Insoweit war es sehr widersprüchlich dass Otto „selbstverständlich Maler werden“ musste. Für ihn kam nun nur die Kunstakademie in Berlin als Weiterbildungsstätte infrage. Dort sonnte sich der  junge Otto in der „allbekannten akademischen Freiheit“. Er konnte sich den Zweig der Kunst aussuchen, das „Vagabundieren in Gottes schöner Welt zur Pflicht machen und das Studium der Landschaftsmalerei beginnen.“  

Er zeichnete und malte und entwickelte sich weiter und weiter bis er zum späteren langjährigen Vorsitzenden der „Freien Vereinigung der Graphiker e.V.“ wurde. 

Protzen als zeichnender und malender Wassertourist

Seine Leidenschaft zum Wassersport interpolierte er mit seinem Hang zur Malerei. Als junger Kunststudent paddelte, ruderte und segelte er tage-, wochen- und monatelang durch die Gewässer des Heimatlandes. Dabei war seine Überzeugung zum Beginn des Studiums,  dass man die Natur kennen lernen müsse, wenn man Landschaftsmaler werden will.

Otto lernte Während seines Studiums den späteren Schriftsteller und Pionier des Wassersports und Verfasser des ersten deutschen Flussführers, Friedrich-Eduard Keller (10.07.1859 in Berlin, 07. August 1929 in Hain)  kennen, der im August 1887 den „Verein der Touren-Ruderer Berlin“, in einem Bootshaus am Treptower Spreeufer gegründet hatte.

.(Keller wurde 1909 Mitglied im Segelclub Frithjof sowie der Wettfahrtvereinigung „Berliner Gig-Segler“, später Mitglied im „Deutschen Kreuzer-Yacht-Verband“ und 1917 sogar Beisitzer im Vorstand des Deutschen Segler-Verbandes).

Teilweise mit F.E. Keller zusammen erfolgten 1890/92 Erstbefahrungen bis dahin touristisch unerschlossener Flüsse, z.B. den Wallensteingraben in Mecklenburg vom Nordufer des Schweriner Sees bis zur Ostsee in Wismar, einem Fließgewässer, das heute Steffine genannt wird.

1890 hatte Keller den ersten Flussführer „Wasserentfernung“ verfasst, der als Richtschnur für Touren im Umland Berlins dienen sollte. Erst 1897 entstand daraus „Hipp Hipp Hurra!, Führer für Ruderer, Segler und Dampferbesitzer auf den Gewässern Deutschlands“, der erste für den allgemeinen deutschen Wassersport.

Alleine befuhr Protzen dagegen 1892 in seiner von ihm konstruierten Gig „Elfe“  anhand einer mitgeführten Generalstabskarte -- weil es noch keine „Wasserreiseführer“, und auch keinen „Führer für Wasserruderer“ gab, in welchem später für jedermann haarklein erläutert wurde, welches Wasser befahrbar ist -- die damals noch unregulierte Ilmenau, den 109 km langen, linken Nebenfluss der Elbe im nördlichen Niedersachsen, den  größten Fluss der Lüneburger Heide.

Er fertigte dabei Studien- und Skizzenmappen an, machte Landschafts-Zeichnungen, und komponierte große und kleine Kohle- sowie Kreidezeichnungen von Begegnungen an Land und die besuchten Gewässer. Wahrscheinlich hat er diese Bilder schon damals gut verkauft.

„Elfe“ war ein Ruderboot, das schon nach der dreijährigen Hochschulausbildung von Otto Protzen mit Rollsitzen und Auslegern in einer Länge  von 6 m und 0,90 m Breite gebaut wurde. Das Schiff war aus Eichenholz gefertigt und im Wesentlichen mit einem Mahagonideck eingedeckt. Otto hatte es in einer Weise konstruiert und bauen lassen, dass es sowohl einen Rollsitz zum Rudern hatte, aber auch als „Doppel-Paddel-Canoe“ mit Fußsteuerung eingesetzt werden konnte aber auch mit 2 kleinen Masten und dazu  gehörigen Segeln. Weiter hatte es eine Leinen-Segelpersenning zur Eindeckung der „Plicht“, sodass sie gut bei Regen und größeren Wellen trocken durchkommen konnte.

Die „Elfe“ war trotzdem „so schnell, dass wir mehrmals den Siegespreis der Dauerwettfahrten unseres Wanderrudervereins über 58 km davontrugen, die wir in wenig mehr als 6 Stunden hinter uns brachten. Sehr bald aber sahen wir ein, dass die Winde trotz allem noch dauerhaftere Lungen haben als der Mensch und setzten zwei kleine Segel zur Unterstützung auf längerer Fahrt bei günstiger Brise. Um auch in die schmalsten Flüsse und Gräben unseres Vaterlandes hineinkriechen zu können, schafften wir uns zwei in der Mitte teilbare Paddel an, und in dieser Verfassung machten wir manche schöne Reise in der Mark Brandenburg“. ..“Sie war bequem, schnell und leicht; aber ihre scharfen Überwasserformen schnitten gar zu leicht unter die hohen Seen: Sie war ein Binnenschiff“.

Sehr selten gibt Protzen in seinen Reise-Schilderungen Jahreszahlen an. In seinen  in mehrfachen Auflagen erschienenen Werken  „30 und 40 Jahre auf dem Wasser“ beschreibt er in mehreren Kapiteln auch Jugenderlebnisse, ohne genaue Details über sein Herkommen, seine Eltern und Familie exakt preiszugeben. Ganz persönliches wie die Klarnamen seiner Herrensegler-Mitstreiter oder gar seiner „bezahlten Hände“ werden ausgelassen oder aber elegant-witzig umschrieben (Freund „Toppmüller“ war sein Mitsegler Paul Müller-Tolffs und „Rakete“, der spätere Vorsitzende des VSaW,  Dr. Wilhelm Rakenius)

Als 26-jähriger im Jahre 1894 hat Otto Protzen seine ersten schriftstellernden Reiseberichte und seine Erlebnisse aus den Jahren 1892 und 93 in der Zeitschrift „Wassersport“ (Seiten 1, 15, 26, 40 und 52) und später in „Wassersport“ 1895 und 1898  in spannenden Artikel-Serien veröffentlicht. Die sich fortsetzenden Berichte aus dem Sommer 1893 gingen von Spandau aus los über Oranienburg, den Werbellinsee, Freienwalde, den Finowkanal, über Oderberg, die Hohensathener Schleuse, Schwedt, Gartz, Stettin, Scheminzer Ort, Wollin, Cammin, und dann über die Ostsee über Swinemünde, Heringsdorf, Carlshagen, Vitt  bis nach Travemünde. Zu Beginn hat er noch erwähnt, dass auf dem Boot sein „Kuli“ Fritze Lucas ihn streckenweise begleitete, mit dem er dann in seiner Gig auch schneller an seine wohl vorbereiteten Orte gelangen konnte. Auf allen diesen Strecken hat er seine Erlebnisse und Abenteuer in einer bilderreichen Sprache dokumentiert und teilweise auch illustriert.  

Mit der „Elfe“ von der Ostsee zurück ging es an einem Sonntag über Oranienburg zur Berliner gebührenpflichtigen Stadtschleuse. Und weil sonntags  keine Zahlungen angenommen und keine Buchungen vorgenommen werden durften, mussten „solche Amtshandlungen schon tags zuvor“ erledigt werden. Ohne Quittung keine Schleusung (1 Reichspfennig für ein Boot dieser Größe). Gern hätte er den Schleusenwärter erschlagen, aber ein mit Kohlen beladener Kahn, dessen Eigner „mit den erforderlichen Papieren versehen war,“ ließ die „Elfe“ auf sein Deck ziehen und übergab sie hinter der Schleuse wieder ihrem Element.

Diese Reise hat er in seinem ersten Buch „Eine Ostsee-Reise im Einskuller“ (als Sonder-Abdruck aus dem „Wassersport“) im Jahre 1900 mit eigenen Illustrationen herausgegeben und präsentierte sich damit als einer der ersten deutschen schriftstellernden Wassertouristen seiner Zeit.

1893 hat Protzen auch die Lausitzer Neiße, den linken Nebenfluss der Oder bereist. Auf dieser Reise, auf der er mit seiner „Elfe“ gemeinsam mit einem österreichischen Freund mit dessen „Austria“ ruderten, kamen die beiden Aspiranten in eine starke Strömung. In dieser wurde die arme „Austria“ gegen einen Brückenpfeiler gedrückt und ließ sie durch den Anprall und die Gewalt des Wassers mittschiffs auseinanderbrechen, so dass „je eine halbe Austernschale rechts und links am Brückenpfeiler vorbei trieb“. Also auch Gefährliches war zu erleben.

Ab Forst fuhr er in allerdings mit seinem Freund Friedrich Eduard Keller weiter und er zeichnete und malte und malte.

Am 22. Oktober 1897 heiratete er in St. Marien in Lübeck Mathilde Julie Bertha (gen. Tilly), geborene Lange aus Olpenitz.

Auch mit ihr erfolgten gemeinsame Befahrungen erschlossener Flüsse.

Sie bekamen drei Kinder und wohnten anfangs noch  in Stralau, Dorfstraße 2, aber schon ab 1897 in Berlin NW, Claudiusstraße 3. Die drei Kinder waren:

Tochter Else Marie Mathilde, geb. 11.09.1898 in Berlin, verh. 11.10.1924 mit Direktor Julius Max Ebbecke, geb. 17.06.1882

Sohn Theodor Emil Hans Adalbert, geb. 08.02.1900 in Berlin - 17.02.1995

Tochter Clara Magdalena Anneliese, geb. 14.10.1904 in Zehlendorf, Berufsangabe 1934: Pianistin

1895 war das Jahr der „Ellida“ (den Schiffsnamen entnahm der gebildete Künstler der Frithjofs-Sage):

„Die Wintermonate hatte ich damit verbracht, mir ein neues  Schifflein zu erdenken, welches die Vorzüge der „Elfe“ zwar behalten, aber noch einige andere Wünsche befriedigen sollte, sodass sich ihr in der Donaufahrt kein Gegner mehr stellen wollte und sie bei Regatten nur noch außer Konkurrenz mitsegeln durfte.“ (40 J, S.96)

Das war die erste 50 cm tief gehende „Gig“ aus neuartigem Aluminium mit aufgelöteten Alu-Schwertkasten, Sie wurde „nach eigenen Plänen auf Jahns Bootswerft in Sperlingslust für recht teures Geld erbaut“, mit aus „gelblichweißem Makkostoff von Mählitz in Spandau hergestellten“ Segeln. „Sämtliche Aluminiumteile waren in der Fabrik des VSaW-Mitgliedes Eduard Puls hergestellt.“

Auf sämtlichen Gigsegel-Wettfahrten, welche damals als Bindeglied zwischen Ruder- und dem Segelsport Eingang fanden, war dieses kleine Fahrzeug für  Jahre heißumstrittene aber unbesiegte Herrscherin“ (OP, S.53)

Von Berlin über Havel und Elbe wurden nun (ab 1895) „in nie vorher betriebener Ausdehnung“ Studien- und Wanderfahrten auf Deutschlands Flüssen mit der „Ellida“ vorgenommen. Es sollte aber auch zur „Eröffnung des die Nord- und Ostsee verbindenden Kanals quer durch Holstein Mitte Juni gehen“, im Anschluss daran zur Kieler Woche, „von der (er) schon so viel gehört und gelesen“ hatte.

Hier in Kiel, wo die ihn nicht besonders beeindruckenden Kanal-Festlichkeiten stattfanden, traf Otto Protzen auf das befreundete Brüderpaar Franz und Dr. Wilhelm Rakenius mit der VSaW-Vereinsyacht „Probepfeil“ aus Berlin. Und mit denen begann sein Segeln in Kiel.

„Täglich rangen wir auf der Kieler Bucht draußen vor Laböe mit Vertretern fast aller sporttreibenden Nationen um die Siegerpalme, die wir dreimal aus den Händen unseres kaiserlichen Sportkameraden in Empfang nehmen konnten“.

Von Kiel ging es mit der „Ellida“  über die Sventine,  den Plöner See, Gremsmühlen, den Ukleysee, Eutin, an die Neustädter Bucht, von dort über Travemünde, Lübeck,  den Ratzeburger See, nach Mölln; aber nach einem Ruderbruch in einem Sturm über die Trave wieder zurück nach Travemünde. Und etwas später entschloss er sich die Heimreise doch über die Ostsee anzutreten:

 "Mit festgelegten Schoten platt vor dem Winde laufend, dehnte ich mich bequem auf dem weichen Teppich meiner „Ellida“, und  im Wettlauf mit den graugelben Wolken überflog ich die rastlosen glitzernden Wellen. So ganz allein, ohne Hindernis, ohne Weg und Steg! ---- Hier bestimme ich selber mein Schicksal durch einen Fingerdruck auf das hin und her schwankende Ruder, hier gehört mir allein die Welt und mein Leben! --- Doch wozu sich diesen  Träumereien ergeben, aus denen doch gar zu bald die gebieterisch sich aufdrängende Wirklichkeit reißt.“  

Rastlos kämpfte er sich auf dieser Reise über Boltenhagen, Wismar, Schwerin, Waren und Oranienburg zurück nach Berlin .

Otto Protzen als Segler und Literat

Als knapp Achtundzwanzigjähriger trat Otto Protzen 1896 als „Saisonkarten-Inhaber“  in den Verein Seglerhaus am Wannsee ein; ab 1898 wurde er ordentliches Mitglied und war dann wohnhaft in:  

Schlachtensee, Viktoriastr. 4  (JB des VSaW 1906)

Wannsee, Friedrich-Karl-Str. 15  (JB des VSaW 1909)

Otto Protzen verfasste in Zeitschriften und Büchern weiter Reiseberichte und wassersportliche Artikel. Nach seinem Club-Eintritt hat er in den VSaW-Jahrbüchern aus seinen Studienmappen Zeichnungen veröffentlicht und begeisternde Regattaberichte geschrieben, die für Segler heute noch plastisch wie Videofilme ablaufen.  

Dadurch wurde Otto Protzen zu seiner Zeit als Segler ein bekannter Schriftsteller, der wie ein „Fontane“ der deutschen Flussläufe, Ströme, Bäche und sie durchquerenden Seen sowie des damaligen Ruder- und Segelsports bezeichnet werden kann. Mit seiner fachlich einmaligen, einzigartig sachkundigen und bilderreichen, aber auch emotionalen Erzählweise beschreibt  er spannend seine erlebten Ruder- und Segelerlebnisse, die wie heutige Landschaftsfilme im Fernsehen vor dem inneren Auge ablaufen.

Otto Protzen liest sich für viele und auch für mich deshalb wie ein Theodor Fontane, weil er als Segel-Poet, gleichzeitig auch als Illustrator und Landschaftsmaler seine Beobachtungen auf den zahlreichen Bootstouren über Havel, Spree, Oder, Neiße, die Werra, die Ostsee, nicht nur in einer bilderreicher Sprache vermittelt, sondern auch wissbegierig macht, indem er die erst- und einmalige Originalität des Bootsfahrens in diesen Gewässern aber auch seine eigene Originalität demonstriert.

Siehe Bibliografie

Zum Beweise seiner Bildersprache sind hin und wieder wörtliche Zitatstellen aus seinen vielen Veröffentlichungen hier eingefügt worden.

(Auf einer seiner Fahrten beschreibt er auch, dass er das Dorf Protzen besucht hat. So heißt es auf S. 67 (40 Jahre neu) „…nahe Lindow, wo die „Schiffbarkeit des Rhins, am Rhinluch beginnt“… „liegt auf hohem Ufer noch heute das Dorf Protzen. Leider nicht mehr im Besitz unserer Familie….  Aber herzlich aufgenommen wurde ich in seinen meterdicken Mauern, als ich eines schönen Pfingsttages mal ganz in der Nähe gelandet war und meine Besuchskarte ins Herrenhaus schickte.

Protzen ist ein Teil der Gemeinde Fehrbellin mit ca. 500 Einwohnern, das am Nordrand des Rhinluches südlich der Ruppiner Platte liegt. Es handelt sich um ein Straßendorf slawischen Ursprungs, das bereits 1324 erstmals als Pfarrdorf ursprünglich erwähnt wurde. Im Dreißigjährigen Krieg zerstört und später durch weitere Brände mehrmals in Mitleidenschaft gezogen, verdoppelte  sich durch den beginnenden Torfabbau in den Jahren nach der Kaiserkrönung 1871 die Dorfbevölkerung auf über 500 Einwohner.

Theodor Fontane beschreibt das Dorf Protzen mit seinem Park als „einen der schönsten Gutsparks der Region“. In dem Gutshaus befindet sich heute das Dorf- und Schulmuseum. Die spätromanische Feldsteinkirche im Dorf stammt aus dem 13. Jahrhundert, ihr Turm wurde 1682 erbaut.)

Ab seinem Eintritt in den VSaW wurde Otto Protzen recht bald zum Steuermann auf Schiffen, die ihm der Verein oder einzelne Mitglieder zur Verfügung stellten. Die „Lunula“ segelte er 1897 in Kiel. Die  gewonnenen Preise gingen – wie es Brauch war -- an den Schiffseigner: Barthold  Arons. Auf der ebenfalls Barthold Arons gehörenden „Luna“, segelte er zusammen mit dem Eigner nach Schweden und auch dort war er in Regatten erfolgreich.

Kurze Zeit danach steuerte er auch eigene Schiffe:

Die „Wannseat“ wurde am 7.8.1897 durch die Yachtbaugesellschaft des VSaW, der die Mitglieder Arnold, Huldschinsky, H. und P. Kretzschmar, Kyllmann, Oppenheim u.a angehörten, geplant und finanziert und im April 1898 ausgeliefert. Im Herbst 1898 wurde das Schiff von Otto Protzen zusammen mit Otto Boenicke und Prof. Dührsen vom VSaW abgekauft und in „Hevella“ (Havel) umgetauft.  

Die „Wannseat“  wird  wie folgt beschrieben(OP in JB 1899) :

Wasserlinienlänge 9,28 m

Länge über alles 12,95 m, Breite 2,54 m

Segelfläche 119 m² „Beimwindsegeln“

Gebaut von Oertz und Hader Hamburg

Die stattliche „Mimosa“ erwarb er 1901 zusammen mit Dr. Franz Oppenheim.

Und immer stand Otto Protzen mit diesen Yachten ganz oben auf der Siegerliste.

Ab 1900 und mit der Einführung der vom Kaiser promovierten „Sonderklasse“ wurde Otto Protzen immer wieder kehrend auf Grund seiner Leistungen von den aktiven Mitgliedern des VSaW vorgeschlagen, die jährlich vom Verein finanzierten und den fortlaufenden Namen „Wannsee I, II“ usw.  tragenden Boote zu segeln.

Viele Segler bewundern noch heute und immer wieder seine großartigen Segel-Erfolge.

Sechs Mal gewann er in Kiel nämlich 1900, 1901, 1903, 1005 auf Vereinsbooten in der Sonderklasse und 1908 sowie 1909 auf seiner eigenen „Hevella“, einer ehemaligen „Wannsee“ und nahm aus den Händen des Kaisers  den von ihm gestifteten Samoa-Pokal entgegen.

Anlässlich seiner Regatten und Segelreisen vergaß Otto Protzen nie, zu zeichnen und seine Erlebnisse aufzuschreiben. In seinem großbürgerlichen Umfeld und besonders in Seglerkreisen erregten seine realistischen Regatta-Segel-Bilder immer größeres Aufsehen.

Auf der Ostsee segelte er mit der berühmten Yawl „Susanne“ (40 J S. 154) von Oscar Huldschinsky von Kiel nach Kopenhagen und von Bornholm über Cuxhaven nach Dover, um an der Regatta von Dover nach Helgoland teilzunehmen.

 

1904 wurde Otto Initiator und Herausgeber der erstmals erschienenen Segel-Zeitschrift „Die Yacht“. Sein Erkennungs-Zeichen war die „Hanfseilschrift“ mit der er die Cover seiner Veröffentlichungen schmückte.

Otto Protzen als Bootkonstrukteur

Protzen`s Interesse am Bootsbau der vom ihm gesegelten Yachten -- insbesonder seiner Sonderklassenboote -- und eigener Gigs wurde von Jahr zu Jahr größer. Er plante und zeichnete Yacht-Risse. Bei allen seinen Bootsbauaktivitäten hatte er stets Kontakt zu seinem Freund Max Oertz, dem bedeutenden deutschen Yachtkonstrukteur und Werfteigentümer. Er steigerte sich bis hin zu eigenen Hausboot-Bootkonstruktionen, wozu er sich, wie folgt äußerte:

Ab 1893 waren im VSaW zwei „Neuerscheinungen des Jahres erwähnenswert, die allerdings rennsportliche Ehren  einzuheimsen nicht berufen waren.“ Eine war das auf einem flachen Prahm erbaute Hausboot „Daheim“ von Josef Neuß, das stets „durch einen Schleppdampfer von Ort zu Ort gezogen werden musste, wenn nicht der Wind so einsichtsvoll war nach der Richtung ..zu blasen, wohin der Eigner zu reisen sich vorgenommen hatte“. Das Schiff hatte eine „zweimastige Kahnschiffer-Brit“ mit zwei gewaltigen Seitenschwertern, die an sich nur für die Vorwindseglung geeignet waren. Das zweite Hausboot war ein Motorboot mit einem gewaltigen Aufbau und sehr großen Seitenfenstern, um seinem Eigner Prof. Max Friedrich Koch als schwimmende Malerwerkstätte zu dienen, genannt „Malkasten“.  

Diese Hausboot-Konstruktionen hatten es ihm angetan. So schreibt er in „40 Jahre auf dem Wasser“ S.188:

„Es gibt Menschen, die zu ihrer Belustigung nach dem Eisenbahnfahrplan Reisen ausarbeiten welche sie niemals unternehmen, welche Häuser auf dem Papier entstehen lassen welche nie gebaut werden und – Boote zeichnen welche niemals das Licht der Welt erblicken und ähnlichen harmlosen Unfug auf diesem geduldigen Material anstellen“.  

"Auch ich huldige in regelmäßig wiederkehrenden Anfällen diesem Zeitvertreib. Alles was in künstlerischer und seglerischer Beziehung mein Herz bewegt muss ich dann dem harmlosen Papier anvertrauen und greifbar vor mir erstehen lassen. Fast ebenso gut und sehr viel billiger als in der Wirklichkeit genieße ich dabei die Reize des Besitzes im Vorausdenken aller meiner Wünsche, aller Möglichkeiten die der Zufall bieten könnte.Und doch ereignete es sich schon manchmal ganz von ungefähr, dass Traum und Wunsch in Erfüllung gingen. Dann war ich gewappnet vorbereitet auf das, was der Zufall verlangte – bereit sein ist alles.

Wenn da drüben im Seglerhause in Eis und Schnee meine Lieblinge träumen und ausruhen von weiter Fahrt, von heißem Wettkampf und überstandener Gefahr, dann spanne ich daheim einen schönen großen weißen Bogen Papier aufs Reißbrett und tüftele mit Kurvenlineal und Zirkel in meiner Werkstatt irgend ein mich gerade ganz besonders bewegendes neues Problem aus, denn eine Kunst, eine bildende Kunst, ist auch  der Schiffsbau.“  

„… Diesmal nun ist es ein Hausboot, ein schwimmendes Heim für Arbeit und Sport, welches einen bedeutenden Verbrauch an Zeichenpapier und schlaflosen Nächten verursacht und wenn ich mit hochrotem Kopf mich nicht trennen kann von meinem Werk, dann guckt mir meine Frau über die Schulter, ob ich denn noch immer nicht Schluss machen wolle für heute; so sehr eilig wäre es doch nicht.“

So ruhten denn auch diese Hausbootpläne viele Jahre in der tiefsten Tiefe meines Wunschkästleins, weil das Bankbuch mit dem Fluge meiner Gedanken nicht Schritt halten konnte. Eines schönen Sommertages aber, auf einem Dampfer, der die Fluten der Havel zwischen Spandau und Potsdam befuhr, machte meine Seglermütze auf einen Fahrgast amerikanischer Herkunft einen solchen Eindruck, dass er die Frage nicht unterdrücken konnte, ob ich hier auf dem Wasser Bescheid wüsste. Dies glaubte ich ohne Gewissensbisse bejahen zu dürfen. Und so lautete die nächste Frage, wie und wo man hier in Deutschland ein Hausboot bekommen könne. Da war ja Uncle Sam vor die rechte Schmiede gekommen. Vor Stolz errötend, zeichnete ich mit wenigen Strichen mein daheim im Schubfach einer unbestimmten Zukunft entgegenschlummerndes Projekt hin, und im Frühjahr des nächsten Jahres durchfurchte es meine kühnsten Erwartungen übertreffend, dieselben Wellen der Havel, auf denen der Zufall seine Verwirklichung herbeigeführt hatte". Dieses Schiff war das Hausboot  aus Stahl: “Thea“

„Thea“  wird in VSaW-Jahrbüchern (1906 und 1911) wie folgt gekennzeichnet:

Eigner: J. Wolf jun.,

Länge: 18,26 m, Breite: 4,51 m, Tiefe: 0,65 m,  

Art: Hausboot mit Benzin-Motor und Schoner-Takelung und Sommerzelt- Überdachung

Durchschnittsgeschwindigkeit: 11 kmh.)

Erbauer: C. Engelbrecht,  

Konstrukteur: Otto Protzen,  

Baujahr: 1904,

Eintragung im Register: 11.07.1904.

 

„Eine Dynamomaschine erzeugte das elektrische Licht mit Hilfe des Motors; die Inneneinrichtung war äußerst luxuriös mit einem Badezimmer und ständig vorhandenem Warmwasservorrat – durch eine der ersten Möbelarchitekturfirmen ausgebaut“.

Der amerikanische Eigner hieß J. Wolf jun., wohnhaft Alte Jacobstr. 125. Er  war anfangs nicht Mitglied im VSaW.  Nach 1904 wurde er in den VSaW-Jahrbüchern als Kaufmann und Familienkarten-Mitglied geführt.

Das „schwimmende Haus“ war als Schoner getakelt. Die beiden Masten waren leicht mit einer Jüt, die mit Gegengewichten versehen waren, zu setzen und zu legen. Mit diesem Hausboot konnte man -- im Gegensatz zu den heutigen auf unseren Gewässern fahrenden zweirümpfigen Robinson-Booten -- mit einem 2 m tauchenden Mittelschwert raumschots und vor dem Winde recht gut kreuzen und hin und wieder auch „leidlich im Notfall“ gegen an segeln. Protzen`s neuer amerikanischer Freund hatte „außer einem für die Ausübung dieser Art von Sport ebenso nötigen wie großen Bankkredit, weiter keine Vorkenntnisse mitgebracht", sodass Protzen die Stellung eines Kapitäns erhielt und mit einem vereinbarten Gehalt ausgestattet wurde, das in „Form von liebevoller Behandlung pünktlich gezahlt wurde“. Das eigenartige Gefährt wurde schon während seiner Bauzeit die Zielscheibe spöttischer Witze. Dennoch wurde geplant, das Boot in ausgedehnten Reisen zu erproben und dazu ein „Maschinist“ angeheuert, der seine Arbeitsstätte „mit kritischem Blick betrachtete“, zumal ein „bissken ville Messing zu putzen“ war. Für die ausgedehnten Reisen mussten die Masten und Segel, ebenso wie das gewaltige Sonnenzelt und die Messinggeländer des geräumigen Promenadendecks abgeschraubt und auf Deck niedergelegt werden, um Brückenberührungen zu vermeiden. Etwas eigenartig war auch, dass „lange buntbemalte Holzkästen mit Geranien“ sich üppig an der Bordwand hinunterrankten. Der flach schwimmende Koloss ließ sich auch auf kleineren Kanälen fortbewegen. Mit vollem Tank und entsprechenden Nahrungsaufnahmen für eine längere Fahrt konnte es über Havel, Elbe und Nordostseekanal nach Kiel, wo die Mannschaft schon einige Tage vor der Kieler Woche ankam und auf die überfüllten Gasthöfe pfeifen konnte, weil sie ja „ihr eigenes Häuschen hatten“.  

„Das gastliche Schiff war hinfort für unsere Club-Yachten von besonderer Bedeutung, insofern der Eigner es lange Jahre gewissermaßen als Begleit- und Tenderschiff einschließlich Kost und Logis für unsere Unternehmungen auf der Müggel und in Kiel, sogar einmal bis Travemünde zur Verfügung stellte. Auch diente es manchmal als Standort der Starter und Zielrichter mit ihren Kanonen und den Signalmasten bei unseren Wettfahrten und trat bei dem besonders kühlen Ansegeln des Jahres 1905 in die Fußstapfen des „Daheim als Schifferküche“, in welcher anstelle des kühlenden Fässchens in seiner geräumigen Küche unter sachkundiger Leitung ein heißer Vereinsgrog-Ausschank eröffnet wurde. Der gewaltige Senkingherd, auf dem manchmal schon sogar Festessen für mehr als 20 Personen entstanden waren, genügte auch diesmal allen Anforderungen und in den 8 Schlafplätzen soll mancher Mann sich von den Anstrengungen dieses Ansegelns erholt haben“ (OP. S. 104)

Protzen beliess es aber nicht bei einer Hausbootkonstruktion. Im VSaW-Archiv wurde eine Zeichnung aus dem Jahre 1912 entdeckt, die ein Hausboot von 25 Metern Länge  mit einem überdachten Oberdeck aufweist.

Hausbootzeichnung 1912

Aufgrund seiner Design-und Konstruktionserfahrungen wurde Otto Protzen auch als Mitautor und Illustrator für die Handbücher „Yachtbau und Yachtsegeln“ 1908 sowie „Die Kunst des Segelns“ 1914 tätig. Letzteres ist mehrfach zuletzt mit dem Titel „Das Segeln auf klassischen Yachten“ 2011 nachgedruckt worden. 

Jetzt sind aufgrund dieses vorliegenden Internetauftritts plötzlich 123 Konstruktionszeichnungen von Booten und Yachten aufgetaucht.

 

 

Otto Protzen hat sich dann ab 1912 vom Regattasegeln wegen weniger der sportlichen Fairness zugeneigter Gegner mehr und mehr  zurück gezogen. Es gab zu viele neidbedingte Anfeindungen im Hinblick auf seine Erfolge und mehr und mehr kleinliche Proteste auf den Regattapisten, weit weg von der Fairness der Anfangsjahre.

 

Dann kam der Krieg. 1914 wollte Otto Protzen mit 46 Jahren zum Landsturm, aber so schreibt er  „sogar zum Totgeschossenwerden schien ich der Militärbehörde untauglich“. Er sah das dann aber mit  eigener Begründung ein :... „nicht nur mein linkes Bein versagt in gewisser Beziehung, auch das rechte Ohr verweigert sich seit einigen Jahren standhaft, seine Obliegenheiten zu erfüllen“.„Daher setzte ich mich in ein Boot und fuhr die Donau hinab bis zum Schwarzen Meer.“ Und er schrieb 1922 ein weiteres Buch:

   „Vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer 

        - eine Kayak-Fahrt donauabwärts -

Reise im Kriegsjahre 1917 von Donaueschingen bis Konstanza“

Diese Reise befuhr Otto Protzem mit „Kiekindewelt“, einem Kajak von 4,50 m und 0,80 m Breite, zwei kleinen roten Segeln von je 4,0 qm und Masten von 1,75 m Länge, das er mit den Füßen steuern konnte, sodass „die Hände jederzeit frei sind zum Paddeln, Schreiben, Zeichnen und Essen während der Fahrt“. Über die Fahrt von Donaueschingen bis zum Schwarzen Meer, wo deutsche Truppen 1917 bis nach Rumänien gekommen waren, beschreibt er sein Boot von Anfang an wie folgt weiter:

„So entstand (S. 2 u. 3) also auf meinem Reißbrett die Bauzeichnung für ein Mittelding zwischen einem kanadischen Kanu, welches für unschiffbare, rasch fließende Gewässer am geeignetsten ist und einem Eskimo-Kajak, dessen beste Eigenschaften sich bei Wind und Seegang zeigen."

Kajak- Bauzeichnung 1919

„Auf einer Bootswerft in der Nähe Berlins, die mir schon so manche meiner Reiseboote geliefert, erblickte dieses Gebilde das Licht der Welt und in meinem Garten oft durch Schnee und Graupelschauer angefrischt, legte ich selbst die letzte Hand an das Werk, das erst durch die vielen Kleinigkeiten, welche so ein totes Ding aus Holz und Nägeln, aus Nieten und Schrauben erst zum richtigen Leben erweckt wird. Seine Länge von 4,5 m war  ein Maß, welches gerade noch erlaubt, das Boot in einem verdeckten Eisenbahnfrachtwagen als Reisegepäck mit sich zu führen. Seine Breite ist 80 cm, das äußerste Maß, mit dem es noch mit dem Paddel bequem fortbewegt werden kann. Sein Tiefgang im vollbeladenen Zustand beträgt nur ungefähr 15 cm und zum Schutz der nur 6 mm starken Zedernholzplanken beim Überlandschleifen gegen Steine und Wehrbauten, über die ich hinwegrutschen musste, brachte ich in einiger Entfernung vom eisenbeschlagenen Hauptkiel zwei gleichlaufende Nebenkiele an, welche unter dem Fachausdruck „Schlingerkiele“ zu allerdings anderen Zwecken bekannt sind. Sie sollten es auch bei Grundberührungen und wenn ich in dem aufs Land gezogenen Boote übernachtete, stets waagerecht halten. . . . Das Überwasserschiff ist vorn und hinten möglichst tragfähig geformt, um das Unterschneiden zu verhindern und viel Stauraum zu gewähren, während die Wasser- und Bodenlinien scharf und schlank sind zur Erzielung größtmöglicher Geschwindigkeit. …  Die Öffnung des Sitzraumes, welcher im Ganzen knapp 2 m zwischen den abschließenden wasserdichten Schottwänden ist, ist nur gerade so groß bemessen, dass ich trotz meines steifen Beins bequem ein- und aussteigen kann und ist mit einer dicht an den Körper anschließenden Schutzdecke vollkommen gegen Regen und überkommende Wellen abzusperren. Die beiden Spitzen des Bootes vor und hinter dem Sitzraum sind durch zwei verschließbare Deckluken zugänglich und dienen zur trocknen und schattigen Aufbewahrung des Proviants und meiner vielfältigen Ausrüstung, die ein Gewicht von nicht weniger als 70 kg hat, …Die Fortbewegung geschieht mit dem Paddel. …  Wenn der Wind günstig ist und die Bahn frei, kann ich ein oder auch zwei kleine Segel setzten. Die Masten stehen knapp vor und hinter den beiden Schotten im Sitzraum und sind ebenso wie die Bambus-Rahen und -Bäume der Segel nur 1,75 m lang, um sie unter Deck verstauen zu können. Dunkelrot ist die Farbe meiner leichten Schwingen. Ich liebe diese Farbe; denn sie blendet nicht wie die weißen Segel bei strahlender Sonne die ermüdeten Augen und ist nicht so empfindlich gegen die in so kleinen Fahrzeugen unvermeidliche Beschmutzung. Sie sind auf die denkbar einfachste Weise während der Fahrt zu setzen und zu bergen und das hintere Segel, der "Besan", kann auch während des Paddelns die Fortbewegung unterstützen. …

Um mich bei der sommerlichen Wanderfahrt gegen die unbarmherzigen Gluten der südeuropäischen Sonne zu schützen, ließ ich mir aus demselben roten Segelstoff ein kleines Zeltdach anfertigen, befestigt durch zwei Karabinerhaken zwischen beiden Masten und auseinandergespreizt durch den Bootshaken aus Bambusrohr. Seine Form ist derartig, dass es beim Paddeln nicht hindert; und auch bei Dauerregen in Windstille tat es nützliche Dienste. Ja sogar, wenn ich meinen Schlafsack im Sitzraum zur Nachtruhe in dem aufs Land gezogenen Kajak ausgebreitet hatte, diente es mir, tief bis aufs Deck heruntergesenkt, noch als Wind und Kälte abhaltendes Dach. …

Gesteuert wird mit den Füßen durch ein verstellbares Joch, das mit dem Steuerruder durch dünne Drahtseile in Verbindung steht, sodass die Hände jederzeit frei sind zum Paddeln, zum Schreiben, Zeichnen und Essen während der Fahrt.“

Otto Protzen als Kartograf

Für seine Leser hat er im Anhang seines Buches, datiert 1919,  als einer der Ersten im Wassersport eine "Übersichtskarte der Mitteleuropäischen Fluss- und Kanalsysteme" entworfen, auf der die einzelnen Stationen seiner mehrmonatigen Reise auf der Donau nachverfolgt werden können.

Protzens Übersichtskarte der Mitteleuropäischen Fluss- und Kanalsysteme

Und dann geht es auf dieser Donaureise in 19 Abschnitten mit 70 Illustrationen die wilde Donau hinab.

 Von Donaueschingen bis Ulm hat die Donau ein Gefälle von rd. 200 m bei einer Länge des Flusslaufes von 158 km, das im Wesentlichen zum Betriebe vieler Mühlen und Fabrikanlagen ausgenutzt wurde  und zu diesem Zweck durch 28 Wehre „abgesperrt und aufgestaut“ wurde....

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